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Strukturerhaltende Vereinfachung

          - Methode der Wahl ?!

Viele TanzleiterInnen schwören darauf. Ihre Methode ist die beste! "Damit kapiert es jede/r." Solche oder ähnliche Bemerkungen bekommt man manchmal zu hören. Gibt es sie wirklich, die Methode der Wahl?

Vermittlungswege werden von vielen Aspekten beeinflusst. Voraussetzungen und Interessen der SchülerInnen, personale Voraussetzungen der/des Lehrenden und unterrichtliche Rahmenbedingungen sind wichtige Kriterien für Methodenentscheidungen. Nicht zuletzt didaktische Zielsetzungen prägen das Unterrichtskonzept (vgl. TANZEN 3/96: Methoden im Tanzunterricht). Auch die Art und die Eigenschaften der zu unterrichtenden Tänze bestimmen die Vorgehensweise. Ein mazedonischer Volkstanz im 13/16-Takt erfordert eine andere Vermittlung als ein historisches Menuett oder eine improvisierte Gestaltung im Elementaren Tanz.

Geht es - wie häufig im Tanzunterricht - um die Vermittlung von feststehenden Tänzen oder Bewegungsfolgen, muss der entsprechende Tanz i.d.R. in irgendeiner Weise vereinfacht werden, damit die SchülerInnen ihn nachvollziehen können.

Häufig wird dann der erste Schritt oder das erste Bewegungselement gezeigt und geübt, meistens noch etwas langsamer und ohne Musik, dann folgt das zweite usw. Einige Elemente werden zusammengesetzt, geübt, etwas schneller geübt, irgendwann kommt Musik dazu, dann wird weiter geübt.

Besonders bei für die SchülerInnen schwierigen Bewegungsfolgen muss erst eine lange Durststrecke des Übens bewältigt werden, bis endlich der Spaß am Tanzen kommt. Dieser Spaß am Tanzen bleibt dann allerdings für manche aus - sie haben vorher aufgegeben. Gibt es Alternativen zu dieser Schritt-für-Schritt-Methode?

Strukturerhaltende Vereinfachung

Bei vielen Tänzen lassen sich einzelne Elemente in Teile zusammenfassen und so entsteht eine übergeordnete Struktur (siehe auch Petermann: Grundlagen der Struktur- und Formanalyse), die sich im Aufbau der Musik widerspiegeln kann. Die meisten Folkloretänze aus Israel, Nordamerika, Mittel- und Westeuropa haben einen solchen Aufbau sowie viele andere Tänze auch.

Strukturanalyse am Beispiel des israelischen Tanzes Simchu Nah ("Freut euch")

Choreographie von Jonathan Gabay, Musik von Mathitjahu Shelem

Inhalt: Im ersten Teil werden Störche symbolisiert, die auf ihrem Zug nach Afrika einbeinig auf einer Wiese stehen

Tonträger z.B. FF 4425

Aufstellung: Paarweise auf der Kreisbahn, Front zur Mitte mit V-Fassung

Teil I: Kreisform (Front zur Mitte)
 
Phrase Motiv Zelle Element Takt Beschreibung
A
a1
a1
a 1 a 2 a 1¢ 
1.1u.2 Zwiesprung rechts am Platz
   
a2
a 2 a 1 a 2¢ 
3u.4 Zwiesprung links am Platz
 
a1
a1
a 1 a 2 a 1¢ 
2.1u.2 wie Takt 1.1u.2
   
a2
a 2 a 1 a 2¢ 
3u.4 wie Takt 1.3u.4
 
a2
a3
a 4 a 5
3 Sprung auf RF u. Storchenstand, dabei L Unterschenkel waagrecht zurück
 
a3
a4
a 6 a 7
4.1 LF Schritt am Platz, dabei rechtes Knie etwas anheben (l)
   
a5
a 8 a 6’
4.3,4 zwei Schritte am Platz R,L, dabei Knie etwas anheben (k,k)
A
      5-8 Takt 1-4 wiederholen
B
b1
b1
b 1 b 2
9.1 RF Wiegeschritt rechts seitwärts
   
b1’
b 1’ b 2’
9.3 LF Wiegeschritt links seitwärts
 
b2
b2
b 3 b 4 b 2
10 RF Schritt rechts seitwärts, LF kreuzt vor RF, RF Wieges. rechts seitwärts (k k l) ("Seit und Wiege")
 
b1’
    11 gegengleich zu Takt 8
 
b2’
    12 gegengleich zu Takt 10
C
c1
c1
g 1 g 2
13.1,2 RF Schritt und Hopp in Tanzrichtung vorwärts
   
c1’
g 1’ g 2’
13.3,4 LF Schritt und Hopp in Tanzrichtung vorwärts
 
c2
c2
g 1 g 3 g 1 g 3
14 4 Laufs. in Tanzrichtg RLRL, dabei Oberkörper leicht bücken
 
c1
    15  Takt 13 wdh
 
c2’
    16 wie Takt 14, aber mit den 4 Laufschritten tanzen die Tänzer vor ihre Tänzerinnen
           

Teil II: Paarform, dabei sind die Schritte wie im Teil I, aber in Phrase A stehen die Tänzer mit dem Rücken zur Mitte und ihren Partnerinnen gegenüber, die rechten Hände sind in V-Fassung. In Phrase B tanzt man "fassungslos" gegenüber und die Phrase C wird mit der rechten Hand auf der Schulter des/der PartnerIn in einem Paarkreis ausgeführt.

 

Der grundlegende Gedanke dieses Vorgehens besteht darin, die übergeordnete Struktur zu erhalten und ohne Änderung auf die entsprechende Musik umzusetzen. An unserem Beispiel demonstriert bedeutet das, dass die Phrasen AABC sofort auf Musik getanzt werden, allerdings nicht mit ihren eigentlichen Motiven, Elementen oder Schritten, sondern so vereinfacht, dass sie von den SchülernInnen ohne weitere Vorbereitung nachvollzogen werden können. Inwieweit die einzelnen Tänze vereinfacht werden müssen, hängt natürlich von den Voraussetzungen und Fertigkeiten der SchülerInnen ab. Zudem sollten die vereinfachten Teile etwas mit dem zu erarbeitenden Endprodukt zu tun haben, ansonsten muss man später wieder umlernen. Das ist bekanntlich nicht so einfach und auch wenig sinnvoll. Oft bietet es sich an, einfache Elemente oder Schritte eines Teils oder einer Phrase herauszunehmen und sie auf die volle Länge dieses Teils oder dieser Phrase auszuweiten.

Strukturerhaltende Vereinfachung am Beispiel Simchu Nah

Der 1. Durchgang unseres Beispiels Simchu nah kann für ungeübte SchülerInnen folgendermaßen aussehen:

Phrase A: Pendelschritt rechts und links (RF Schritt rechts seitwärts, LF Tipp,

LF Schritt links seitwärts, RF Tipp) als vereinfachte Form des Zwiesprungs, der

für Ungeübte relativ schwierig ist und einer Vorübung bedarf.

Phrase B: "Seit und Wiege" rechts und links (siehe Tanzbeschreibung)

Phrase C: Laufschritte in Tanzrichtung

Dieser 1. Durchgang kann jetzt zwei bis viermal (je nach Lernfortschritt) ohne vorangegangene Vorbereitung sofort auf Musik durchgeführt werden.

Danach werden nacheinander die einzelnen Teile (Phrasen, Motive, Elemente, ....) sukzessiv wie z.B. unten beschrieben der Endform angenähert. Zwischen den einzelnen Annäherungsstufen kann je nach Bedarf eine kurze Erklärungsphase oder Vorübungsphase eingebaut werden. Oft können sich aber einzelne Stufen ohne Unterbrechung der Musik ablösen.

So kann sich im 2. Durchgang in der Phrase A der Zwiesprung den Pendelschritt ablösen. Wie schon erwähnt, muss bei ungeübten SchülernInnen eine kurze Übungsphase ohne Musik vorgeschaltet werden. In der Phrase B bleibt "Seit und Wiege" und in der Phrase C kann Laufen durch Hüpfen ersetzt werden.

Beim 3. Durchgang kann in der Phrase A nach den Zwiesprüngen der Storchenstand und die nachfolgenden Schritte durch Klatschen ersetzt werden, wobei der Rhythmus der Bewegungen erhalten bleibt und dieser beim Klatschen geübt wird: w h q q ..

Danach werden alle Teile nacheinander auf die Endform gebracht und am Schluss dann noch die Paarform gezeigt.

Nach welchen Gesichtspunkten sollen und können Tänze vereinfacht werden:

  • Vereinfachungen müssen mit der Endform zu tun haben
  • der Grad der Vereinfachung hängt von den Voraussetzungen der SchülerInnen ab. Dabei gilt: Nicht zu viele, aber auch nicht zu wenig Vereinfachungsstufen
  • Vereinfachungsstufen dürfen nicht zu lange getanzt werden, da sie sonst automatisiert werden und dann weitere Veränderungen schwer fallen
  • meistens gibt es mehrere gleichwertige Vereinfachungen und Annäherungsstufen

Vorteile dieses methodischen Weges der STRUKTURERHALTENDEN VEREINFACHUNG

  • kaum "trockene" musiklose Übungsphasen, keine stupiden Lernphasen
  • vereinfachte Formen können sofort getanzt werden. Somit stellt sich das Gefühl zu tanzen und der damit verbundene Spaß sofort ein
  • auch bei heterogenen Gruppen müssen Geübtere nicht so lange warten, bis endlich getanzt wird. Die Übungsphase wird von ihnen folglich als nicht so langweilig empfunden
  • das Lernen erfolgt überwiegend durch Imitation, d.h. durch Zuschauen und sofortiges erfolgreiches Nachmachen, welches ja die einfachste Lernweise darstellt
  • verbale Anweisungen, von Ungeübten schwieriger umzusetzen, sind nur an wenigen Punkten nötig. Dort wo sie nötig sind, erfolgen sie kurz und knapp und beziehen sich auf das direkt Folgende. SchülerInnen haben so eine gute Chance, sich ganz auf das Gesagte zu konzentrieren und müssen nicht aus vielen Sätzen die für die nächsten Lernschritte wichtigen Informationen herausfiltern
  • von Anfang an wird die Bewegung an den musikalischen Ablauf gekoppelt. Das Gehirn kann sofort die später hilfreichen Verknüpfungen zwischen musikalischem Gedächtnis und Bewegungsgedächtnis herstellen. Man muß nicht "auf Musik" nochmals neu lernen.
  • bei schwierigen Tänzen können weitere Durchgänge erst an folgenden Übungsstunden oder -tagen durchgeführt werden
  • Tänze können so im Senioren-, Kinder- oder Anfängertanzbereich den jeweiligen Begebenheiten angepasst werden, ohne allzu viel von ihrem Charakter zu verlieren
  • mit einer Fortsetzung dieses Konzepts über die Tanzform hinaus - quasi mit einer strukturerhaltenden Erweiterung - können Choreographien für die Bühne entstehen, ohne dass Tänze ihre typische Struktur und wesentliche Merkmale verlieren

Natürlich wird diese Methode z.B. beim Weitergeben eines bulgarischen Tanzes im 11/16-Takt oder beim Vermitteln einer Kombination von Jazztanz-Elementen keinen so großen Erfolg haben. Methode der Wahl also nur bei solchen Tänzen , bei denen eine nennenswerte Struktur ein wesentliches Merkmal darstellt, deren Elemente entweder bewegungstechnisch oder rhythmisch oder sonst wie zu schwierig sind.

Besonders eignet sich die strukturerhaltende Vereinfachung für alle Kreistänze, insbesondere für solche, bei denen die Struktur das Tanzes in Zusammenhang mit der musikalischen Form steht. Aber auch Paartänze oder Mehrpaartänze können (insbesondere im Anfängerbereich) dahingehend vereinfacht werden, dass nicht zuerst räumliche Formationen wie Squares, Gassen oder ähnliches eingenommen werden, die es dem Übungsleiter danach erschweren, einzelne Schritte oder Elemente zu zeigen, sondern Schrittfolgen oder Elemente können unabhängig der späteren räumlichen Formation entsprechend der musikalischen Struktur (im Kreis oder in Linien) geübt werden.

Allerdings gibt es einige Tänze, für die diese Vorgehensweise nicht geeignet ist.

Gibt es auch für solche Tänze, die keine nennenswerte Struktur haben, geeignete methodische Vorgehensweisen?

Bei Tänzen mit komplizierten Takten stellt meist der damit verbundene Rhythmus des "Grundschrittes" das zentrale Problem beim Erlernen dar. Hat man diesen Rhythmus einmal in den Beinen, sind die damit verbundenen Schritte meist nicht mehr allzu schwierig. Der Vermittlungsweg muss also vom Takt oder Grundrhythmus ausgehen und diesen durch Klatschen oder andere Hilfen möglichst sofort auf Musik in den Vordergrund stellen.

Besteht ein Tanz aus einer Kombination von vielen verschiedenen bzw zu speziellen Elementen, wie eine Jazztanz-Kombination oder ein griechischer Hassapikos, dann kann man höchstens einzelne Elemente vereinfachen, aber letztendlich muss Element nach Element geübt werden. In der Unterrichtspraxis sieht das in der Regel so aus, dass mit dem ersten Element begonnen und dann bis zum letzten vervollständigt wird. Wäre es zumindest manchmal nicht sinnvoller und effektiver, vom letzten her anzufangen, dann kämen für die SchülerInnen die neuen Elemente immer zuerst und erhielten die volle Aufmerksamkeit. Auch ist es leichter für Lernende, das Ganze in Teile aufzugliedern (z.B. über 4 Takte oder 8 Takte). Selbst wenn solche Unterteilungen gar nicht vorhanden sind, tut sich das Gedächtnis leichter mit dem Behalten solcher übergeordneter Einheiten.

Diese (oben beschriebenen) Vermittlungswege können keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und müssen weiter ergänzt werden.

Zusammenfassung: Viele Tänze haben wichtige und prägende Merkmale, die ein bestimmtes methodisches Vorgehen nahe legen oder als besonders geeignet erscheinen lassen. Welches Merkmal herausgegriffen und als wichtig und besonders prägend eingestuft wird, ist natürlich eine mehr oder weniger subjektive Einschätzung des Übungsleiters, die auch von weiteren pädagogischen Intensionen abhängt. Wie auch immer beeinflussen inhaltliche Merkmale das methodische Vorgehen, was mit diesem Artikel verdeutlicht werden sollte.

 

Literatur:

Bielefelder Sportpädagogen: Methoden im Sportunterricht, Schorndorf 1989

Göhner, U: Bewegungsanalysen im Sport, Schorndorf 1979

Hepp, M: Methoden im Tanzunterricht, Tanzen 3/96

Hepp, M: Tanzbeschreibungseinlage zu FF 4425

Petermann, Kurt (Herausgeber): Grundlagen der Struktur- und Formanalyse des Volkstanzes (1976)

 


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