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Methoden im Tanzunterricht

  by Michel Hepp (veröffentlicht in der Zeitschrift Tanzen 3/96)

 

"Sie tanzt wahnsinnig gut, diese Körperbeherrschung und Ausstrahlung! Aber sie bringt es (ihren Schülern) nicht rüber." - "Er ist ein absoluter Fachmann in dieser Tanzrichtung und weiß immens viel, aber er kann sich nicht auf das Niveau der Leute runterlassen. Das Tanzen macht so keine Freude." Besonders der letzte Ausspruch über die "Freude" beim Lernen und Tanzen deutet daraufhin, wie wichtig die Unterrichtsmethode der Tanzlehrerin/des Tanzlehrers ist. Freude beim Lernen ist natürlich etwas sehr Subjektives, sie hängt nicht ausschließlich von der Methode des Lehrenden ab. Interesse an der jeweiligen Tanzrichtung, allgemeine Bewegungsfreude, Offenheit für soziale Kontakte oder die Persönlichkeit der Lehrerin/des Lehrers usw. sind weitere wichtige Aspekte. Von welchen Kriterien methodische Wege beeinflusst werden, soll folgendes Schema veranschaulichen:
 
Zielsetzungen
(didaktisch) 
beeinflussen 

Methodenentscheidungen

 
Voraussetzungen und Interessen der Schüler 
personale Voraussetzungen des Lehrers 
allgemeine Rahmenbedingungen 
Merkmale und Strukturen des Tanzes 

 

In den folgenden Abschnitten werden die Aspekte "Voraussetzungen und Interessen der Schüler", "personale Voraussetzungen des Lehrers" und "unterrichtliche Rahmenbedingungen" nur am Rande erörtert. Schwerpunkt dieses Aufsatzes sollen die Einflüsse der "inhaltlichen Strukturen eines Tanzes" auf den Vermittlungsweg sein. Da aber didaktische Zielsetzungen die Methode entscheidend beeinflussen, sozusagen die grobe Richtung vorgeben, werden dazu vorweg grundsätzliche Überlegungen aufgezeigt und angestellt.

1. Zielsetzungen

Sie beeinflussen immer den Unterricht. Denn jeder Unterricht verfolgt bewusst oder unbewusst bestimmte Ziele, über die meistens kaum oder gar nicht mehr reflektiert wird. Der Lehrende hat dabei ein mehr oder weniger festgelegtes Unterrichtskonzept (Verlaufsplan), an dem er sich orientiert. Ihm geht es z. B. um die Vermittlung festgelegter Bewegungsfolgen im Tanz, ein weiteres Ziel ist vielleicht, diese möglichst schnell und exakt seinen Schülern beizubringen. Der Lehrer als Fachmann macht vor, der Schüler lernt durch Imitation. Freude kommt dann auf, wenn die SchülerInnen die Bewegungen immer besser und selbständiger beherrschen.

Eine solche Unterrichtsmethode wird gern bezeichnet als

  • produkt- und lernzielorientiert
  • reproduktiv
  • darbietend und deduktiv

Sie ist in der Regel lehrerzentriert.

Der überwiegende Teil des Unterrichtens in denjenigen Tanzrichtungen, bei denen in erster Linie ein "fertiges Endprodukt" erwartet wird (z.B. eine Jazzformation, ein historischer Tanz, ein Gesellschaftstanz, ein Volkstanz u. ä.) verläuft nach diesem Muster. Diese Form des Unterrichtens (gewöhnlich mit "geschlossener Unterricht" bezeichnet) ist in Pädagogik und Didaktik häufig kritisiert worden. Insbesondere bei ausschließlich reproduktivem Unterricht, so heißt es, werden die SchülerInnen zu Konsumenten erzogen. Den Anhängern eines "offenen Unterrichts" geht es dagegen nicht so sehr um die Vermittlung bestimmter Inhalte - dieser Unterschied in der Zielsetzung ist unbedingt zu beachten. In diesem Unterricht steht der/die Lernende mit seinen Ideen und Möglichkeiten im Vordergrund. Sie sollen erkannt und gefördert werden. Wesentliches Gestaltungsmoment ist die (allerdings auch vom Lehrer formulierte) Bewegungs- oder Improvisationsaufgabe, für die der Schüler/die Schülerin Lösungen finden soll. Sie ist dem Schüler sowohl Impuls als auch Grenze. Im Gegensatz zum darbietenden Unterrichtskonzept können und müssen die SchülerInnen eigene Bewegungen als Lösung einbringen. Daraus ergibt sich natürlich, dass mehrere Lösungsmöglichkeiten zugelassen werden müssen. Der Erfolg eines solchen Unterrichts ist wesentlich abhängig von der Fähigkeit, die Bewegungsaufgabe angemessen zu formulieren. Die Grenze darf weder zu weit noch zu eng gesteckt sein, die Aufgabe muss die Vorerfahrungen der Lernenden berücksichtigen. Man muss wie immer, so auch hier, die SchülerInnen "dort abholen, wo sie stehen".

Dieses Unterrichtskonzept wird bezeichnet als

  • prozessorientiert
  • produktiv und kreativ
  • entwickelnd oder induktiv

Der Unterricht ist schülerzentriert. Oft entsteht hier ein von den Schülern gestaltetes Endprodukt. Diese Unterrichtsform fördert die Selbstständigkeit und Kreativität der Schüler, denn alle Ergebnisse gehen auf die Schüler selbst zurück. Dazu ein Beispiel in zwei Stufen:

Einfache Aufgabe: Die folgende Musik hat zwei wiederkehrende Teile (Musik einspielen). Benutzt auf den ersten Teil die Grundbewegung "Gehen". Versucht dabei, möglichst runde Raumwege zu zeichnen. Beim zweiten Teil sollen mindestens zwei Varianten des Hüpfens eingesetzt werden.

Voraussetzungen: Kenntnis der Grundbewegungsarten und ihrer Varianten; Fähigkeit, musikalische Phrasen zu erkennen.

Steigerungsaufgabe: Entwickelt zu einer Western-Musik im 4/4-Takt eine 16-taktige Tanzfolge zu Paaren mit geregeltem Partnerwechsel (Mixer).

Voraussetzungen: Kenntnisse einiger Figuren aus amerikanischen Tänzen - Vertrautheit mit Mixern - Fähigkeit, musikalische Phrasen zu erkennen - Vertrautheit mit Variationen von gängigen Bewegungsmustern u.a.

Wenn Schüler mit dieser Unterrichtsform keine Erfahrungen haben, tun sie sich am Anfang sehr schwer mit der "großen Freiheit". Sie müssen sehr behutsam damit umzugehen lernen. Irgendwann wiederholen sich die von einem Schüler eingebrachten Lösungen, sein Repertoire ist erschöpft. Hier können dann reproduktive Formen eingesetzt werden, indem z. B. Lösungen einzelner Schüler von allen anderen Schülern übernommen und geübt werden. Auch der Lehrer kann das Repertoire vervollständigen oder die Bewegungstechnik verbessern. Es entstehen Konzepte wie z. B. das in der tänzerischen Gymnastik von Engel/Küpper vorgeschlagene "Finden - Üben - Gestalten", die produktive und reproduktive Elemente enthalten.

Dabei fließen auf einer mittleren Planungsebene weitere Zielsetzungen ein:

  • Tanzen und nicht nur Schritte lernen
  • Verbesserung von Ausdruck und Haltung
  • hohe Bewegungsintensität, Ausbildung der allgemeinen Ausdauer
  • Koordinationsschulung
  • gute Gruppenatmosphäre, Geselligkeit

Eine differenzierte Methode wird immer dann notwendig, wenn sich Schüler einen schwierigeren Tanz nicht ganzheitlich, d.h. in einem einzigen Lernakt, aneignen können. Dann muss die Tanzbewegungsfolge vereinfacht oder zerlegt werden. Die Bewegungen können verlangsamt werden. Man geht vom Einfachen zum Komplexen, vom Leichten zum Schwierigen. Jetzt ist die Phantasie und Flexibilität des Lehrenden gefordert, denn nicht allen Tänzen kann man ein bewährtes methodisches Vorgehen überstülpen. Tänze sind von ihren Merkmalen her sehr unterschiedlich. Das verlangt nach Anpassung in der Vermittlung. Die Weitergabe eines englischen Kontratanzes erfordert eine andere Vorgehensweise als das Erlernen eines mazedonischen Kreistanzes im 15/16-Takt oder einer Kombination von Jazzdance-Elementen. Die Schwierigkeiten für die Schüler sind völlig unterschiedlich. Vor allem bei einem überwiegend reproduktiven Unterrichtskonzept müssen inhaltliche Merkmale und Strukturen des zu lernenden Tanzes Auswirkungen auf die methodische Vorgehensweise haben. Jede/r praxiserfahrene Tanzleiter/in weiß um diese Unterschiede. Er kennt die "Tücken" SEINER Tanzrichtung und hat gelernt, damit umzugehen. Er/Sie hat sich seine/ihre Vorgehensweise zurechtgelegt. Stereotype, immer gleiche Methoden sind allerdings nicht angebracht, denn andere Inhalte brauchen andere Methoden. Variation und Vielfalt sind gefragt!

2. Einflüsse von inhaltlich/sachlichen Strukturen und Merkmalen eines Tanzes/Tanzbereiches auf die methodische Vorgehensweise

Gibt es Kategorien von Merkmalen von Tänzen oder Tanzrichtungen, die ein bestimmtes methodisches Vorgehen nahe legen? Aus der Praxis ist diese Frage sicherlich mit ja zu beantworten. Viele Tanzrichtungen haben ihre spezifischen Schwierigkeiten und erfordern eine entsprechende Methode. Ist es möglich ein System zu entwickeln, das aufgrund besonderer Merkmale eines Tanzes eine bestimmte methodische Vorgehensweise nahe legt? Dazu müsste die Vielzahl der Tänze und Tanzrichtungen zuerst einmal analysiert und nach Kriterien geordnet werden, die z. Zt., wenn überhaupt erarbeitet, auf keinen Fall schon unumstößlich abgesichert sind. Solch ein Analysekonzept liefert Sachs (in Günther). Er unterscheidet zwei Gruppen von Tänzen:

Bewegungstänze (Tänze mit dem Körper) und Krampftänze (Tänze gegen den Körper). In den Bewegungstänzen will der Mensch seinen Körper durch den Raum tragen, will frei und leicht wirken. Dagegen wird der Körper bei den Krampftänzen schwer gemacht, die Muskeln stehen unter großer Spannung, der Tänzer strebt nach Rausch und Ekstase (GÜ 75 21-22).

Tänze gegen den Körper gibt es natürlich nicht. Alle Tänze benötigen den Körper des Tanzenden. Sachs bewertet die eine Gruppe von Tänzen positiv, die anderen entsprechen nicht seiner ästhetischen Norm und werden deshalb von ihm als negativ eingestuft. Sein Interesse war (aus seiner Sicht), "gute" und "schlechte" Tänze zu unterscheiden. Mit dieser Einteilung können wir heute wenig anfangen. Sie zeigt aber, dass jeder Einteilung eine gewisse Sichtweise zugrunde liegt. Bei der Aufstellung von Unterscheidungskategorien wird also offenbar eine Wertung vorgenommen, die mit einem zugrunde liegenden Interesse verknüpft ist.

Bewegungsanalysen im Sport

Die bis jetzt vorliegenden Bewegungsanalysen im Bereich Tanz sind meistens Beschreibungen von Tänzen und Tanzrichtungen. Wesentlich mehr Bewegungsanalysen liegen im Sport vor. Auch Konzepte zur Gliederung solcher Analysen sind in der Bewegungslehre wesentlich weiterentwickelt. So untersuchte Göhner (1979) verschiedene Bewegungsanalysen im Hinblick auf das "leitende Interesse" und unterschied vier verschiedene Grundtypen:

  • Inhaltsanalysen versuchen im wesentliche Bewegungen zu beschreiben
  • Ordnungsanalysen ordnen Bewegungen nach bestimmten Kriterien
  • Optimierungsanalysen untersuchen Bewegungen nach qualitativen und quantitativen Merkmalen
  • Aufgabenanalysen versuchen, bestimmten Bewegungen eigene bestimmte Zielsetzung zuzuordnen

Bewegungsanalysen im Tanz

Optimierungsanalysen gibt es im Tanz nicht viele. Über die biomechanischen Parameter eines Ballettsprunges als Basis für eine Optimierung hat sich bis heute kaum jemand ausgelassen (mir sind jedenfalls solche Abhandlungen nicht bekannt). Sicher gibt es aber in den Tanzrichtungen, die ihr Ziel in der Vorführung vor Publikum haben, mehr oder weniger anerkannte Qualitätsmerkmale. Noch weniger werden bestimmte Tanzrichtungen oder Tänze explizit analysiert und dann konsequent in Aufgabenform formuliert. Im Tanzbereich gibt es aber viele Inhaltsanalysen. Jede Tanzbeschreibung oder Beschreibung einer Tanzrichtung fußt auf einer solchen Inhaltsanalyse. Ordnungsanalysen werden dann vorgenommen, wenn vorhandenes Material, wie z. B. Volkstänze aus Bayern oder Stilrichtungen im Jazztanz, nach geeigneten Merkmalen geordnet werden sollen. Um Entscheidungshilfen für eine methodische Aufbereitung eines Tanzes unter Beachtung seiner Eigenheiten zu erhalten, müssen seine Merkmale analysiert, geordnet und bewertet werden. Das Interesse einer solchen Analyse wäre also das Erstellen methodik-relevanter Merkmale. Gibt es einen Katalog von Merkmalen, in die man alle Tänze einordnen kann? Hier sollen wenigstens einige Gesichtspunkte für die Unterrichtsgestaltung folgen, die als Merkmale des Tanzes gleichzeitig Unterscheidungs- und Ordnungskriterien für die Gestaltung des Unterrichts abgeben können - es ist ein Versuch, unvollständig und ergänzungsbedürftig, aber als Versuch ernst gemeint:

  1. Wer tanzt? Frauen, Männer, Paare.
  2. Welche sozialen Beziehungen bestehen/bestanden zwischen den Tänzern? Einzelpersonen, Gruppen, Paare, gleichberechtigte Partner, ...
  3. Welche Formationen und Fassungen werden eingenommen? Reihe, Gasse, Kreis, ... V-Fassung, Tanzhaltung,...
  4. Welche Utensilien werden benutzt?
  5. Wie sehr zielen die Tänze auf Ekstase oder ermöglichen diese?
  6. Welche Raumwege sind bei den Bewegungen vorherrschend?
  7. Welche Dynamik kann man dem Tanz zuschreiben?
  8. Welche Merkmale hat die Musik des Tanzes? Takt, Rhythmus, Melodie, Text, Instrumente, Form, ...
  9. Welche Rhythmen haben die Bewegungen?
  10. Welche Struktur hat der Tanz? Teile, Motivfolgen, Wiederholungen, ...
  11. Wie groß ist die Übereinstimmung von Tanz- und Musikform?
  12. Welche Funktion hat/hatte der Tanz? Aus welchem Anlass und in welchem kulturellen und sozialen Rahmen wird/wurde er getanzt? Gesellige, kultische, erotische Motive Wettkampf, Präsentation, Kunst, ...

Welche Auswirkungen können bestimmte Merkmale eines Tanzes ganz konkret auf den Vermittlungsweg haben? Diese Überlegungen sollen in einem der nächsten Hefte an entsprechenden Beispielen aufgenommen werden.

Literatur:

Bielefelder Sportpädagogen: Methoden im Sportunterricht, Schorndorf 1989
Engel, R./Küpper, D.: Gymnastik: Finden-Üben-Variieren-Gestalten, Schorndorf 1978
Göhner, U.: Bewegungsanalysen im Sport, Schorndorf 1979
Günther, H./Schäfer, H.: Vom Schamanentanz zur Rumba, Stuttgart 1959

 

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